Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall by Roman Rausch

Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall by Roman Rausch

Autor:Roman Rausch [Rausch, Roman]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi
ISBN: 9783499238376
Herausgeber: rororo
veröffentlicht: 2004-11-30T23:00:00+00:00


VIII.

Die letzte Maschine nach Dublin war weg.

Ich musste den Flieger nach Shannon im Westen nehmen. Von hier waren es gute 300 Kilometer bis Mullagh, einem kleinen Ort in der Nähe von Keils. Ich rechnete mit einer Fahrtzeit von drei Stunden, sofern die Autovermietung meine Kreditkarte noch akzeptieren würde.

Die Sonne war im Begriff, den Alten Kontinent zu verlassen, um auf der anderen Seite des Horizonts einen neuen Tag anbrechen zu lassen. Der Pilot flog eine Schleife auf die Küste hinaus, die wohl wegen meines Erscheinens vor Wut schäumte. Ich tröstete mich mit einer Flasche Jameson Finest Irish Malt.

Die zwei Stunden Flug hatten mir gut getan, zwangen sie mich doch, in Ruhe über die bisherigen Ereignisse und alles, was danach auf mich zukommen konnte, nachzudenken, wenn ich Mayfarth nicht rechtzeitig überführte. Heinlein würde mich am folgenden Tag zur Fahndung ausschreiben. Meiner Karriere als Polizeibeamter wäre damit definitiv ein Ende bereitet. »Cheers«, prostete ich mir zu, »let’s take a walk on the wild side«, und leerte den Becher in einem Zug.

Yasmina war nach ihrem plötzlichen Verschwinden nicht mehr aufgetaucht. Das kam mir gerade recht, hatte ich nun endlich wieder freie Hand und Ruhe vor ihrem missionarischen Eifer. Ich schmunzelte bei dem Gedanken, dass sie außer dem Papyrus nun auch mich verloren hatte. Heinlein würde ihr nächstes Opfer.

»Es tut mir Leid, Mr. Kilian«, sagte die Kleine am Schalter der Autovermietung, »Ihre Karte wurde zurückgewiesen.« Ihr Lächeln verriet mir, dass sie Bescheid wusste.

»Und es gibt überhaupt keine andere Möglichkeit?«

»Ich fürchte nicht. Der letzte Bus nach Keils ist vor einer halben Stunde abgefahren, der nächste geht erst morgen früh um sieben. Wenn Sie bis dahin nichts anderes vorhaben, kann ich Ihnen ein nettes kleines B&B10 ganz hier in der Nähe empfehlen. Gleich nebenan ist ein Pub, wo ich mit einer Freundin etwas essen werde. Sie sind herzlich eingeladen.«

Mein Lächeln verriet ihr, dass man mich nicht lange darum bitten musste.

»Hi, Molly. Hast du was für mich?«, fragte sie ein Mann, der neben mir aufgetaucht war und uns wie selbstverständlich ins Wort fiel. Er stank nach Whiskey, irgendwas zwischen Paddy und Bushmills. Eine imposante Erscheinung. Er überragte mich um einen Kopf und wog mindestens 30 Kilo mehr, die gleichmäßig auf Arme, Fäuste und Schultern verteilt waren. Eine Zurechtweisung war also sinnlos.

Molly ging ihre Unterlagen durch. »Tut mir Leid, Lucy. Heute ist nichts für dich dabei.«

»Na, kein Problem. Dann bis morgen. Soll ich dir was aus Dublin mitbringen?«

»Sie fahren nach Dublin?«, fiel ich ihm ins Wort.

Er musterte mich eingehend. Seine Augen waren glasklar, ohne jegliche Rückstände des Treibstoffes, von dem er reichlich getankt hatte. »Ja, Mann.«

»Können Sie mich mitnehmen?«

»Ich glaube nicht, dass Sie das wirklich wollen«, fiel mir Molly ins Wort.

»Heute ist nicht alle Tage«, beruhigte ich sie, »ich bin morgen Abend wieder zurück. Dann nehme ich gerne Ihr Angebot an.«

»Sie verstehen nicht …«

»Kein Problem«, antwortete Lucy, »wenn Sie was vertragen können. Platz gibt’s genug.«

Ich stimmte zu. Molly schüttelte enttäuscht ihren roten Schopf. Gelegentlich sollte man einen gut gemeinten Ratschlag annehmen. Das wurde mir später klar. Nun stand mir erst einmal ein teuflischer Ritt durch die Nacht bevor.



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